Archiv für die Kategorie: 'sinnen'

unverständlich

anwora | Samstag, 25. November 2006, 11.44
Kategorie: archäologie, foto, kunst, sinnen

beobachtungen und fragen:

vor zwei wochen habe ich auf einer archäologischen tagung in linz, gelegentlich eines kleinen referats, die beobachtung gemacht, dass einige wissenschafter offensichtlich die grenzen ihres faches, oder vielmehr, das wesen ihres faches nicht verstanden haben:
„es ist traurig, dass wir als fachleute nicht genau sagen können, wann etwas begonnen hat.“ oder
„wann genau sollen wir die grenze zwischen älterer und jüngerer eisenzeit ziehen?“

vor einer woche besuchte ich eine diskussion zum thema „was ist die kunst in der fotografie“ – eine veranstaltung im rahmen des „monats der fotografie“. dass die referenten wussten worüber sie sprechen, war wohltuend. dass die stellungnahmen und damit die diskussion sich hauptsächlich in der lähmenden schubladen-diskussion „was ist kunst?“ verbohrte, hat mich dann bald wieder vertrieben.

die frage:
was um alles in der welt wäre gewonnen, wenn nun eine nicht mehr angezweifelte definition, endlich sowohl irgendwelche anfänge, grenzen oder „kunst“ unverrückbar beschrieben hätte?
und? was nun?

oder etwas ausführlicher:
warum ist das beunruhigend, dass anfänge nicht greifbar sind?
was würde ich über das leben aussagen, wenn ich einen stichtag zwischen älterer und jüngerer eisenzeit festlegen könnte?
was hilft es, eine definition von kunst in händen zu halten, wenn ich vor einem werk stehe?

es ist mir unverständlich!


hartriegel

anwora | Freitag, 24. November 2006, 20.06
Kategorie: archäologie, sinnen

hartriegel

hartriegel

… ein schönes wort. „cornus“ klingt noch besser.
der „kleine stowasser“ gibt als bedeutungen
„kornelkirsche, hartriegel, hartriegelholz und speer“ an.
sic!
es ist nicht erst seit der antike ein legendäres holz: hart, zäh, elastisch –
verwendet für lanzen, leitersprossen, radspeichen, stiele, feine holzgeräte, …
seit dem photoblog von matthias cremer auf derstandard.at ist es in erwählten kreisen sogar als fotomotiv geschätzt und bekannt.

so weit:
ich hab mich vorgestern in die donauau bei klosterneuburg begeben. im forstgebiet, im novemberregen, auf der suche nach „cornus sanguinea“ – dem „roten hartriegel“. ich mag „cornus mas“ (kornelkirsche) am liebsten als schnaps. das „blutige“ im roten hartriegel ist jedoch gerade das richtige für einen stiel einer streitaxt.
diese axt ist seit 10 jahren halbfertig – es war meine erste „berührung“ mit eisen in glühendem zustand. ein lieber freund von der ur- und frühgeschichte hat sie aus burgenländischem eisenerz unter kleinen zureichdiensten meinerseits geschmiedet. jetzt hab ich sie endlich fast fertig – es fehlt noch der letzte schliff … und der griff.
(welch übler reim!)

schliesslich hab ich ein passendes bäumchen gefunden. jetzt ist der rohling grob zugerichtet und muss erst einmal sorgsam trocknen, um dann eingepasst zu werden – nächstes jahr dann …


stiegengeschichten

anwora | Mittwoch, 22. November 2006, 9.10
Kategorie: archäologie, foto, sinnen

HA-stiege
foto: NHM wien, andreas w. rausch

ja, genau. das ist eine stiege.

heuer nun schon das 12. jahr dabei gewesen, bei den archäologischen ausgrabungen des nat. hist. mus. wien im salzbergwerk von hallstatt, unter tage und auf den spuren des prähistorischen bergbaues.
seit drei jahren ist diese stiege nun als eine solche bekannt, liegt etwa 100m unter der oberfläche im salz konserviert und ist bisher auf etwa 8m länge ergraben. gebaut wurde sie, als tutenchamun in ägypten gerade mal auf der welt war – bei ihm ist die datierung nicht so sicher: jedenfalls ist diese stiege mittels dendrochronologie („baum-zeit-lehre“ – datierungsmethode mittels jahrringe) datiert und demnach 1344/43 v. chr. gebaut worden: derzeit die älteste, bekannte holzstiege.
so weit die fakten.

man kann die hand darauf legen und das holz spüren. es ist fest, scheint frisch. es trägt noch! jeder beilhieb ist erkennbar. die suggestivkraft dieser wahrnehmung ist groß. man meint förmlich den menschen vor augen zu haben, den schlag noch zu vernehmen und den schweiß zu riechen. es könnte der eindruck entstehen, man sei der bronzezeit nahe oder näher oder gar dem leben oder den menschen dieser zeit.
das ist so irritierend daran: man bleibt mit diesen wahrnehmungen und den ausgelösten assoziationen auf sich selbst zurück geworfen. es ist dort nicht anzuknüpfen, denn es ist ein gegenstand der gegenwart, weil es eine wahrnehmung der gegenwart ist

– meine wahrnehmung!

der hoffnung und dem neugierigen wunsch des näher-kommens widersetzt sie sich ebenso hartnäckig wie souverän. sie verharrt in ihrer penetranten dinglichkeit, existiert, steht mir entgegen und ich starre sie reglos, schweigsam versunken an.
irgendwann gehe ich – sie bleibt noch.

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hier gibt’s noch 2 fotos zu sehen—>anwora-gallery


‘walls and other lies’

anwora | Donnerstag, 27. Juli 2006, 10.36
Kategorie: foto, musik, sinnen

mle

MLE[e]

die promo-CD ‘walls and other lies’ der lieben freunde von MLE[e]
ist nun fertig.
die anstrengung hat sich gelohnt … und die foto-session war spannend:
4 halbnackte männer, eingekremt und in mehl gewälzt, werden zur wand!

vier songs sind darauf – die sollte man kennen!:

    Static

    Decay As Lifestyle Binary Lies Take Apart Your Senses

nun hoffe ich mit und für die band auf reichliche konzertgelegenheiten
(nicht nur, damit ich sie wieder öfter hören kann!) und reges interesse
bei den plattenfirmen.

hier geht’s zur web-site der band—>www.mle-music.com


grillfische

anwora | Sonntag, 16. Juli 2006, 10.19
Kategorie: foto, sinnen

das waren ein paar sehr gemütliche tage als grillfisch am adriatischen meer
zu gast bei lieben freunden und werdenden eltern: bärbel und dejan!

hot

und in der nacht, haben die kleinen boote im hafen von cres ihre gesichter gezeigt
und den spaziergängern an der mole mitunter sogar ein wenig zugelächelt!

hafenbewohner—>


“bim gleich da”

anwora | Freitag, 23. Juni 2006, 9.06
Kategorie: foto, sinnen

die wiener linien testen nachts im 16. bezirk ihre neuen
mit kernfusionsreaktoren ausgerüsteten triebwagen.
sehr mutig finde ich das seifenkisten-design!

ufothalia


begegnung

anwora | Montag, 5. Juni 2006, 21.00
Kategorie: foto, sinnen

wie eigenartig eine derartige entdeckung sein kann, besonders an einer stelle
wo man sie nicht nur nicht vermutet, sondern wo sie sich sonst auch
nicht zu zeigen pflegt.
dann ziehen animistische gefühle auf und ein schauder – wenn auch
rationalistisch schaumgebremst.
es ist ja alles ganz sicher logisch zu erklären.

zell


oh, maria!

anwora | Montag, 5. Juni 2006, 17.01
Kategorie: foto, sinnen

wie es scheint, ist die sorge der röm.-kath. kirche in österreich
um den glauben in diesem lande berechtigt.
die ‘lange nacht der kirche’, ist wohl eine mehr als notwendig massnahme.
vielleicht mag den bilderstürmern sogar einhalt geboten werden.

zell


beckett in stammersdorf

anwora | Montag, 5. Juni 2006, 16.47
Kategorie: literatur, seismik, sinnen

… ja ich bin mir sicher.
samuel beckett ist bei einem heurigen reinkarniert,
sitzt dort, so wie heute hinter mir, trinkt bisamberger weisswein und
gibt kleine kostproben seiner bühnenkunst
(er dichtet neuerdings in mundart!):


Er:
“Najo … ?!

(Schweigen, dann…)

Sie: “Woa des a Schwoim?”

(Er hebt müde den Kopf gegen den bewölkten Himmel.
Ein schwarzer Punkt verschwindet hinter einem Dach.)

Er: (zögerlich) “Na.” (Pause) “Glaub i ned.”

Sie: “Mhm. Schwoim sichst jo a kane mehr.”

(langes Schweigen)

Sie: “Najo, ist nimma wia frihra.”

Er: (leicht belehrend) “Tua ned nochdenken!”

Sie: (mit einem leisen Anflug beleidigter Entrüstung) “Na! … i tua jo e ned nochdenken.”

(Schweigen. Beide trinken Wein.)


denk mal!

anwora | Mittwoch, 10. Mai 2006, 6.39
Kategorie: seismik, sinnen

…weil der klaus mich wieder d’rauf gebracht hat:

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Gedanken über das GEDENKEN

Gedenken setzt doch DENKEN voraus?!
Oft gebärdet es sich jedoch als GETUE.

Das ritualisierte und institutionalisierte Gedenken gerät wie alles kollektiv Verordnete und Zelebrierte in Gefahr, sich zunehmend vom Inhalt zu entfernen – es wird zur Pose des Gedenkens.

Meine Auschwitz-Fragen lauten:
Kann ich an Auschwitz etwas Persönliches, Relevantes entdecken und für mich spürbar machen, jenseits der kollektiven Betroffenheit und der Symbolik zu der es geworden ist?
Was heißt Auschwitz für mich?
Was vermag ich zu erkennen und zu fühlen abseits des “Gedenktourismus” und medialisierter Kranzniederlegungen?

Die Monstrosität dieser Vernichtung ist ohnmachterregend.
Der Schwindel überkam mich während der Bahnfahrt von Katowice nach Oswiecim als ich mir versucht habe die Zahlen “Hunderttausende, Millionen” vorzustellen. Hinter diesen arrogant einfachen sechs- und siebenstelligen Zahlen werden Menschen mit all ihren Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Ängsten und Träumen gleichsam begraben. Eigentlich noch schlimmer: Sie werden buchhalterisch addiert.
Ich kann so vielen Getöteten und dem noch hinzukommenden Leid von Überlebenden und Hinterbliebenen nicht gerecht werden.

Es sind die tausenden von Fotos, die einen kleinen Teil dessen, was Zahlen so kalt verschleiern, wieder erhellen. Schau jeder und jedem Toten ins Gesicht und denke an ein ganzes unermessliches Leben!
Ein Kind lächelt, ein Mann weint, eine Frau schreit.
Es geht um jeden einzelnen Menschen.
Ich versuche an alle die Menschen und deren Geschichte, denen ich in meinem bisherigen Leben begegnet bin, zu denken – die Momente der Nähe, der Freude, der Angst, des Glücks und der Sehnsucht: … und sie alle wären nicht mehr und es wäre nur ein kleiner Teil dieses Grauens.

Ich bin froh alleine zu sein und keinem Menschen zu begegnen. Beschämt nehme ich eine Hand voll Erde, über die ich schon seit Stunden laufe und durch meine Finger gleiten die Ermordeten als zermalmte Knochen. Als Dünger hat man sie verkauft. Ich denke an all die Gesichter.

Mein Gedenken ist still und leise.
Es sind Tränen im November – allein.

Ich nehme den letzten Zug zurück nach Katovice. Ich darf auf jener Strecke wieder zurück fahren, auf der Einskommafünfmillionen Menschen in den Tod gefahren sind.

Erst in diesem Zug konnte ich mir das sagen, was unsagbar ist und bleibt.