Archiv für die Kategorie: 'literatur'

der BRUNNEN und der KRUG

anwora | Samstag, 13. Oktober 2012, 23.31
Kategorie: literatur, seismik, sinnen

der brunnen und der krug

vor langer langer zeit, in einer wüste, war einmal ein brunnen, der, weil er ein brunnen war, klares wasser führte. er hatte reichlich davon, doch niemanden der das frische nass in sich auf nahm.
und es war einmal ein krug, der, weil er ein krug war, etwas umhüllen und bewahren wollte, jedoch seine form war leer, weil er nichts hatte, woraus er schöpfen und womit er sich hätte füllen können.
so geschah es, dass die beiden einander begegneten und kennen und lieben lernten.
der brunnen war so glücklich sein wasser zu geben, weil der krug ebenso glücklich war, es in sich auf zu nehmen. die beiden hatten eine wundervolle zeit und es gedieh eine saftig grüne oase inmitten von steinen und sand.

doch es geschah, was nie hätte passieren dürfen:
war es, dass der krug begonnen hat, das wasser des brunnens nicht würdig zu schätzen und nicht achtsam mit seinem kostbaren inhalt umzugehen oder war es der brunnen, der sorge hatte, sein wasser sei nicht gut genug für den krug oder der krug nicht für sein wasser?
der krug begann zu meinen, dass das wasser des brunnens nicht mehr ganz so reichlich und auch nicht mehr so klar und frisch war und der brunnen hatte das gefühl, der krug würde sein wasser nicht mehr so randvoll in sich aufnehmen, würde achtlos werden oder es gar verschmähen.

beide wurden argwöhnisch und der brunnen sah, dass der krug nicht ganz voll war und sein wertvolles wasser verschüttete und der krug sah, dass der brunnen sein wasser nicht mehr in solcher fülle und klarer frische gab.
sie wurden nachlässig und bemängelten einander.
das wasser des brunnens wurde spärlich und trüb und der krug spröde und trocken, bis eines tages der brunnen leer war.
der brunnen sagte, er sei ausgetrocknet, habe kein wasser mehr zu geben, es sei versiegt und schickte den krug fort. der krug blieb leer, trocknete in der sengenden hitze aus und spürte, dass er risse bekam. immer wieder ging er zum brunnen, tag für tag, wünschte das klare nass herbei, das ihn einst erfrischt und erfüllt hatte.

der krug ging so lange zum brunnen, bis er brach.

und als er brach, ergoss der krug seine leere,
wie tränen über die scherben, die einmal ein krug waren.

in jener wüste erinnern sie sich bisweilen, all jene verstreuten scherben und
auch dieses loch im boden, dass sie einmal krug und brunnen waren.
damals, in jener zeit, als das wünschen noch geholfen hat.

ANWORA | 13-10-2012


“savannah bay”

anwora | Sonntag, 10. April 2011, 20.17
Kategorie: foto, kunst, literatur, seismik

eine theater-empfehlung, auch in eigener sache:

savannah bay

Ich glaube, dass sich die Menschheit bis zu ihrem letzten Seufzer
von Liebesgeschichten ernähren wird.

(Marguerite Duras)


“Savannah Bay” von Marguerite Duras

mit: Eva-Maria Schmid und Anne-Sophie König
Regie: Christian Pfeiffer
Bühne: Andreas W. Rausch
Musik: Philipp Glass
im Schubert Theater, Währingerstraße 46, 1090 Wien
am 17., 18., 19. & 20. April;
10., 11., 14. & 15. Mai
jeweils um 19.30 Uhr


hermann beil – thomas bernhard – auslöschung

anwora | Freitag, 26. November 2010, 16.00
Kategorie: foto, literatur, seismik

hermann_beil

ich durfte gestern einem besonderen genuss beiwohnen:
israelitische kultusgemeinde wien
hermann beil las eindreiviertelstunden lang, stehend vor einem notenständer,
reglos bis auf die bewegung des umblätterns, ohne auch nur eine einzige
kleine unterbrechung, mit großartiger spannung und intensität und
bestechender genauigkeit: “auslöschung. ein zerfall” von thomas bernhard.

ein vergleichbares erlebnis war nur gerhard rühm mit seinem vortrag der
“ursonate” von kurt schwitters.


SALZ – REICH, 7000 Jahre Hallstatt

anwora | Donnerstag, 31. Juli 2008, 17.10
Kategorie: archäologie, foto, literatur

salz-reich_buch

als zweiter band der neu gegründeten publikationsreihe der
prähistorischen abteilung des naturhist. museums wien erscheint nun in kürze:
SALZ - REICH, 7000 Jahre Hallstatt
“Es berichtet über den Anfang des Salzabbaus in Hallstatt, über die prähistorischen Bergwerke, über das weltberühmte Gräberfeld der Älteren Eisenzeit, über das Leben der prähistorischen Bergleute; es erzählt von den Anfängen der Forschung in Hallstatt, über die ersten Pioniere, wie den Bergmeister Johann Georg Ramsauer, und es präsentiert einen Überblick über den letzten Stand der Forschung.”

es ist vollbracht!
großen dank für die gelungene zusammenarbeit an
Anton Kern, Kerstin Kowarik und vor allem an Hans Reschreiter.
es ist wunderbar mit euch zu arbeiten,
nochdazu an einem und über einen ort wie hallstatt!

SALZ - REICH, 7000 Jahre Hallstatt
Hrsg.: Anton Kern, Kerstin Kowarik, Andreas W. Rausch und Hans Reschreiter
240 Seiten, etwa 600 Abbildungen
ISBN 978-3-902421-26-5

die buchpräsentation findet am 16.8.2008 in hallstatt
im rahmen der zweitägigen veranstaltung “archäologie am berg” statt. (erlebenswert)

zu beziehen sollte es dann bald im naturhist. museum sein (shop) bzw. direkt über den
—> verlag des museums, im museum hallstatt sowie im gut sortierten buchhandel und hoffentlich in absehbarer zeit auch über amazon.


‘geschiedenis’

anwora | Mittwoch, 30. Mai 2007, 16.30

das bedeutet ‚geschichte’ auf holländisch und habe ich diese tage im buch
„allerseelen“ von cees nooteboom gelernt.
die bedeutungsanklänge sind so wunderbar weitreichend wie auf-der-hand-liegend.

heillos verknüpft mit allem was je gewesen ist, ohne die blasseste vorstellung darüber,
was das hieße, und dennoch ständig dazu verflucht das luftschloss der wahrheit mit
frischer farbe zu tünchen und damit eine weitere schicht zwischen uns und die
verstrichene zeit zu bringen;
in redlicher einfältigkeit: geschieden und geschichtet.

ein aspekt zur ironie von geschichte,
den umgang mit geschichte, der geschichte der geschichte:
im ausgehenden barock und beginnenden klassizissmus war es unter adeligen geschlechtern „en vogue“ sich mit zitaten von „geschichte“ zu umgeben: das schloss auf der pfaueninsel in berlin, die „römische ruine“ von schönbrunn in wien sind beispiele dafür. „es ist schon als ruine erbaut worden, […]. nicht erwarten können, einen vorschuss auf die vergangenheit der zukunft nehmen.“ (cees nooteboom)
und nun wird dieses konstruierte (erfundene !), barocke herbeizitieren der geschichte selbst zum anlass der geschichtsforschung und in aufwändigen bemühungen erforschen und rekonstruieren wir die allüre eines geschichtsbildes.
siehe:—> BDA “römische ruine”
geschichte ist eine infinite „babuschka“.

und:
zu tränen rührend, wunderschön:

„Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“
(Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Band I/2. S. 697f)

—> am besten in der vertonung von „einstürzende neubauten – berlin babylon“


beckett in stammersdorf

anwora | Montag, 5. Juni 2006, 16.47
Kategorie: literatur, seismik, sinnen

… ja ich bin mir sicher.
samuel beckett ist bei einem heurigen reinkarniert,
sitzt dort, so wie heute hinter mir, trinkt bisamberger weisswein und
gibt kleine kostproben seiner bühnenkunst
(er dichtet neuerdings in mundart!):


Er:
“Najo … ?!

(Schweigen, dann…)

Sie: “Woa des a Schwoim?”

(Er hebt müde den Kopf gegen den bewölkten Himmel.
Ein schwarzer Punkt verschwindet hinter einem Dach.)

Er: (zögerlich) “Na.” (Pause) “Glaub i ned.”

Sie: “Mhm. Schwoim sichst jo a kane mehr.”

(langes Schweigen)

Sie: “Najo, ist nimma wia frihra.”

Er: (leicht belehrend) “Tua ned nochdenken!”

Sie: (mit einem leisen Anflug beleidigter Entrüstung) “Na! … i tua jo e ned nochdenken.”

(Schweigen. Beide trinken Wein.)